21 Mai 2014

Selbst behauenes Holz macht stolz. Tuff Tuff.




Mittwoch, den 21.05.2014

Liebe Julia,




die Zeit bzw. der Mangel daran zwang mich letzte Woche leider zu einer äußerst unkreativen Pause. Was so alles los sein kann, wenn das Leben zufällig mal Lust dazu hat...






Vorbei an den endlosen Weiten in voller Blüte stehender Rapsfelder bahnfuhren runde fünfzig FSKJler von allen Ecken und Enden Mecklenburg-Vorpommerns nach Güstrow, um von dort per Bus wie die Heuschrecken in ein winziges Dorf mitten im Wald mit dem hübschen Namen Neu Sammit einzufallen. Schock. Die Einwohnerzahl des Ortes wurde dadurch kurzfristig verdreifacht. So etwas nennt sich dann FSJ-Seminar. Neu Sammit ist so klein, dass es nicht einmal Straßennamen gibt. Nur Hausnummern. Neu Sammit Haus Nummer 9. Das Jugendschloss. Ein ehemaliges Guts- oder Herrenhaus, eines von so vielen hier oben. Mecklenburg-Vorpommern hat davon übrigens die größte Dichte Deutschlands. Um die 5000, wenn ich mich recht entsinne.
Voller Freude tauchte ich ein in diese andere Welt, die so anders ist als alles, was nur annähernd an Alltag erinnert. Und so fern. Ein Haus voller junger Leute. Gelächter, Gesang, Gemeinsamkeit. Workshops. Mittagspausen am See. So gut wie kein Handyempfang. Viele, viele unvergessliche Momente. Und ein dauerhaftes Erinnerungsstück. Der Workshop meiner Wahl trug den Titel Holzbildhauerei. Was bedeutete, vier Tage draußen zu stehen, mit Hammer und Meißel über einen etwa 1,90 Meter langen Eichenholzklotz gebeugt und dem Stück eines toten Baumes Leben einzuhauchen. Den Geruch des Holzes stets in der Nase, die Gedanken verschwimmen lassen, einfach nur für diesen einen Schlag sein, für diese eine Faser, diese Linie, diese Rundung. Hämmern und schauen. Hämmern, dann wieder schauen. Hämmern. Schauen. Irgendwann hören die Gedanken auf, die Zeit formt sich zu Wirbeln, mal rennt sie, mal schleicht sie. Unsere Ergebnisse sind unfertig. Profi-Holzbildhauer verbringen Wochen, manchmal Monate mit ihrer Skulptur. Glücklich sind wir trotzdem alle. Es ist Kunst. Körper-Kunst.


Meine Skulptur löst damit auch direkt die Aufgabe der Woche. :-D

Sie steht jetzt, nach einer ulkigen Zugfahrt, in meinem Zimmer und duftet. 






























Die Rückkehr war plötzlich und hart. Wie ein Weckerklingeln mitten im Traum. Puff, bin ich wieder in einer leeren, einsamen Wohnung. Puff, begegne ich in den Straßen wieder täglich denselben grimmig schauenden Menschen. (Obwohl ein älterer Herr inzwischen schon zurück grüßt. Das freut mich jedes Mal aufs Neue.) Neulich kam mir die Szenerie vor wie in einem Film. Cut, auf Anfang, wir drehen die gleiche Einstellung morgen früh nochmal. Alle zur selben Zeit am selben Ort. Zugegeben, mich eingeschlossen. Logisch. Sonst wüsste ich ja nichts von der frühmorgendlichen Gleichförmigkeit. Nur das Wetter ändert sich. Und das Tageslicht. (So wie es um Weihnachten eine geschlagene dreiviertel Stunde früher dunkel wurde, so bleibt es jetzt übrigens deutlich länger hell als bei dir da unten am Bodensee. Wollte ich nur mal so gesagt haben. Hihi ;-) )


Nur im Museum ist von Routine nichts zu spüren. (Was ich äußerst positiv finde.) Über der gesamten Woche stand mahnend der Internationale Museumstag, zeigte uns ständig, welcher riesige Berg an Arbeit noch vor uns lag und veranlasste uns zu Massen von Überstunden. Getreu dem diesjährigen Motto „Sammeln verbindet“ stellten wir Objekte von Sammlern aus Pasewalk und Umgebung aus, was wegen der schieren Menge und all der kleinen Teile ordentlich Arbeit bedeutete, wenn man neben der ganzen Verwaltungsarbeit und sonstigen Vorbereitungen für das Fest die Sammlungen auch noch ansprechend präsentieren will. Zumal wir wegen Krankheit auch noch unter akutem Personalmangel litten. Trotz oder vielmehr auch wegen all dem „Stress“ hat diese Woche wirklich Spaß gemacht. Es ist erstaunlich, was Menschen alles sammeln. Waldglas, alte Geldscheine, Tuchplomben, Telefonkarten, Miniaturbücher,... Wow.


Diese Woche geht es auch direkt weiter mit den Vorbereitungen für mein eigenständiges Projekt, eine Ausstellung über Kunst und Müll. Sie soll die Besucher anregen, sich selbst eine Meinung zu bilden: Ist das jetzt Kunst? Oder Müll? Was ist überhaupt Kunst? Kann ich eine zerknüllte Verpackung Kunst nennen, nur weil sie öffentlich ausgestellt wird? Wo sind überhaupt die Grenzen zwischen Kunst und Müll?
Es ist auf jeden Fall eine aufregende und arbeitsreiche Zeit.




Weder um Kunst, noch um Müll geht es in deiner nächsten Aufgabe. Dafür aber um Grenzen. Ich bin gespannt.



Ganz viele liebe Grüße aus dem hellen Norden,


deine Fenja