20 November 2013

Hinter jedem Gesicht verbirgt sich eine eigene Welt

 

Sonntag 17.11.13


Liebe Fenja,


bei mir heißt es wieder „back to the roots“, back to the working nation. Erst habe ich am Wochenende wieder einmal Bedienung gespielt und seit letztem Mittwoch arbeite ich Vollzeit in einem Warenhaus in Konstanz. Dort stehe ich Tag für Tag acht Stunden hinter der Kasse in der Herrenabteilung. Da dort meistens nur alte Männer, oder Frauen für ihre Männer einkaufen ist das auch nicht besonders spannend. Monotone Handlungsabläufe und abschweifende Gedanken begleiten mich den ganzen Tag.
Die Arbeit an der Kasse erinnert mich an die Arbeit bei Schiesser, wo ich die Preis Etiketten auf die Schachteln kleben musste. Die Arbeit bei Schiesser war dennoch schlimmer, weil man dort in einer Halle sitzt und nicht einmal Leute beobachten konnte. 

Hinter der Kasse bin ich der Typ Hampelmann als Verkäufer, weil ich immer Späße mit der Kundschaft mache. Die Leute haben mich am Anfang für dumm gehalten. Als ich im Gespräch einmal meinte: „Man ist erst für etwas zu alt, wenn man zu sich sagt, dass man dafür zu alt ist.“ War dieser Kunde hoch erstaunt und fragte mich ob das gerade von mir gekommen sei, denn das sei ja hoch philosophisch... Daraufhin erwiderte ich nur: „Ja ich bin ja nicht dumm“. Das erstaunte ihn. Ich hatte mich etwas beleidigt gefühlt in der eh schon unterfordernden Arbeit, die zugleich anstrengend ist, weil man sich konzentrieren muss, dass man gedanklich nicht abschweift. Das ist meine Herausforderung. Gedanklich nicht abschweifen, sonst passieren Fehler, die kosten können und das kommt bei keinem Arbeitgeber gut an. 

Wenn die Kunden mit Daunenjacken kommen oder überheblich sind, muss ich mich jedes Mal zusammenreißen. Menschen die nicht über die Produkte nachdenken, wo sie herkommen, die Produkte nicht einmal richtig zu schätzen wissen bringen mich auf die Palme. 

Einfach aufhören zu denken, du brauchst das Geld. Toleranz, toleranz gegenüber den reichen Snobs. Einfach aufhören zu denken. 

Doch ich habe Angst mit dem Denken aufzuhören, weil ich nicht in eine kleine eingefahrene Welt eingesperrt werden will. Die kleine Welt Warenhaus. Die meisten Mitarbeiter kommen aus der klassischen „Arbeiterschicht“. Ihre Welt besteht aus dem Verkauf, Zuhause und dem Supermarkt wo sie ihre Lebensmittel einkaufen. Täglich grüßt das Murmeltier. Stupide. Eintönig. Gleichförmig. „Ja so ist das halt wenn man arbeitet“. Nein es ist nur so, wenn man das so annimmt und sich in diese Position stellt, dass das so zu sein hat. Aber ich verurteile diese Menschen nicht. Ich sage nur, dass diese Arbeit nicht mit meiner inneren Einstellung kompatibel ist und somit auch nicht das ist was ich langfristig machen möchte. 

Um mir die Arbeit irgendwie etwas angenehmer zu gestalten und mich kreativ auch irgendwie ausleben zu können habe ich versucht mir lustige Sprüche für die Kunden auszudenken. Sowas wie: „Erst der Kulli und dann der Pulli (wenn sie auf dem Kassenbeleg unterschreiben müssen)“. Manche finden es lustig. Manche nicht. Aber ich habe ein Gefühl für Menschen mit Humor. 

An Tagen wo ich arbeite bin ich oft den ganzen Tag in dem Warenhaus. In den zwei (je eine halbe Stunde) Pausen esse ich meistens etwas. Im Hauseigenen Restaurant gibt es für die Angestellten ein vergünstigtes Tagesessen. Dies kann man sich holen oder einen mittelgroßen Teller vom Buffet, was ich manchmal mache, weil die Tagesessen meistens mit Fleisch sind. Einen vegetarischen Tag gibt es in der Woche. Kaum hat man sich das essen geholt, ist die Pause jedoch auch schon fast wieder vorbei. Das Essen ist aber ganz gut. Manchmal gehe ich in der zweiten Pause kurz raus, weil ich dann die frische Luft brauche und einfach mal was anderes sehen muss. An den ersten zwei Tagen hatte ich ziemliche Kopfschmerzen von dem Licht und der Luft dort drin. Als Kunde fällt das einem gar nicht bewusst auf, weil man ja nicht den ganzen Tag dort verbringt. 

Was ich von den angestellten Rabatten halten soll weiß ich noch nicht so genau, weil ich sie auf der einen Seite gut für die angestellten finde, sie aber auf der anderen Seite auf mich wie ein „BonBon“ für die „Arbeiterschicht“ wirken um diese bei Laune zu halten. Auf Dauer wäre es sonst glaube ich ziemlich deprimierend wenn man die Leute mit Geld einkaufen sieht aber weiß, dass der Lohn den man als Verkäufer verdient einem gerade so zum Leben reicht. 

Als ich nach drei Tagen kassieren dann eine Kassenschulung bekommen hatte fand ich das auf eine Art und Weise lustig. Das meiste wusste ich ja eh schon. Dafür konnte ich aber mal ein paar in mir nagende Fragen los werden. U.a. auch warum wir die Kunden explizit auf die Kundenkarte aufmerksam machen sollen. Die sei dazu da um den Kunden gezielt Werbung zukommen lassen zu können. Da haben sich bei mir alle Haare gesträubt. Ich bin der Meinung, dass wir eh schon genügend mit Werbung zugemüllt werden, da brauchen wir doch nicht noch mehr oder? Das führt doch nur dazu, dass Leute Sachen kaufen, die sie nicht brauchen in der Hoffnung, dass diese sie Glücklich machen. Was tatsächlich hinter dieser Kundenkarte steckt wissen die meisten Kunden nämlich gar nicht. Sie wollen nur die Produkte günstiger dank Prozenten oder Punkte sammeln. Was sie dafür aber von sich Preisgeben sehen sie nicht, denn die Kundenkarte dient dazu dem Kunden ein Gesicht zu geben. Er wird gläserner.


So jetzt mal genug der ehrlichen Worte. Das ist doch eine schöne Überleitung. Auf zum Thema Gesichter: 




Da ich ja momentan nicht so viel Zeit habe, grub ich zusätzlich noch ein bisschen in meiner Zeichensammlung. Das ist das Ergebnis:


"Das Gesicht vergraben wollen" 

   Dieses Bild habe ich als Cartoon abgemalt. Es ist ein Torbild von 2012. Wir warteten in Hanau vor dem Brückenkopf bis dieser geöffnet hat. Ich hatte Halsschmerzen und wollte mein Gesicht nur noch vergraben und schlafen.

"Hamster Man"



Ein frei erfundenes Gesicht.
Erinnert mich an einen Hamster.




















"Referendarin"



 Das stammt noch aus Schulzeiten.
Es war eine Referendarin  bei uns in der Klasse für Deutsch und Sport glaube ich.




















 "Das Eulengesicht"


 Ebenfalls ein frei erfundenes Gesicht,
welches mich an eine Eule erinnert oder 

an eine Person aus dem Film "Die Herrschaft des Feuers".




















Dein nächstes Stichwort für die Woche Lautet: Konsum.
Viel Erfolg. 

deine Julia